Gute Mitarbeiter sind schwer zu finden. Und sie zu halten, ist auch eine Kunst. Es braucht keinen Fachkräftemangel oder Arbeitnehmermarkt, um als Unternehmen zu wissen, dass sich Mitarbeiterbindung auszahlt. Denn die besten Talente am Markt sind immer heiß umkämpft.
Was ist Mitarbeiterbindung? Welche Arten von Mitarbeiterbindung gibt es?
In seinem gleichnamigen Buch definiert Unternehmensberater Gunther Wolf den Begriff als:
„Mitarbeiterbindung bezeichnet den Grad des Zusammenhalts zwischen dem Mitarbeiter auf der einen Seite und der Organisation als Ganzes auf der anderen Seite.“
Gut ist eine Bindung in der Regel dann, wenn die Beziehung zwischen zwei oder mehreren Parteien eng ist. Zur Bindung gehören demnach immer mindestens zwei. Und sie muss auf Gegenseitigkeit beruhen.
Bei der Mitarbeiterbindung stehen Mitarbeitende auf der einen Seite und die „Organisation als Ganzes“(das Unternehmen) auf der anderen. Repräsentiert wird diese andere Seite meist vom Führungsteam. Hier spricht man auch von Vorgesetztenbindung.
Neben der Vorgesetztenbindung gibt es die Unternehmensbindung, Teambindung und die Aufgabenbindung. Welche dieser vier Bindungsarten den Mitarbeitenden am wichtigsten sind, welche sie also am stärksten motivieren, ist eine Frage der Persönlichkeit.
Während manchen Menschen die Zufriedenheit ihrer oder mit ihrer Führungskraft oder das Image ihres Unternehmens über alles geht, orientieren sich andere stärker am Team oder an der Erfüllung der Aufgaben, die ihnen zugeteilt werden. Die Mitarbeiterbindung ergibt sich bei dieser Betrachtung immer aus der Gesamtmenge der vier Bindungsarten.
Neben diesem Modell, das uns hilft, den Begriff Bindung einen praktischen Rahmen zu geben, gibt es noch eine weitere gängige Betrachtungsweise, die die Mitarbeiterbindung ebenfalls in vier Kategorien einteilt:
1. Perspektivische Bindung (darunter fallen u. a. Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten)
2. Emotionale Bindung (darunter fallen u. a. Wertschätzung und Beziehungen)
3. Normative Bindung (darunter fallen u. a. gemeinsame Unternehmenswerte und Visionen)
4. Rationale Bindung (darunter fallen u. a. Vergütung und Altersvorsorge)
Warum ist Mitarbeiterbindung so wichtig?
Fakt ist: Talente zu halten, kostet weniger, als neue zu finden. Außerdem benötigen neue Mitarbeitende auch ein wenig Zeit, bis sie produktiv arbeiten. Muss man also immer neue Menschen einlernen, kommt man als Unternehmen in vielen Fällen über diese erste Produktivitätshürde vielleicht gar nicht hinaus.
Und genau hier kommt die Mitarbeiterbindung ins Spiel: Sie hält neue wie bestehende Arbeitskräfte möglichst langfristig im Unternehmen, indem sie ihre Beziehung zum Unternehmen stärkt.
Und je stärker die Beziehung zwischen Arbeitskräften und Unternehmen, desto
➜ geringer die Fluktuation
➜ geringer die Kosten für Recruiting und Onboarding
➜ geringer die Fehlzeiten
➜ höher die Produktivität
➜ besser die Unternehmenskultur
➜ höher die Mitarbeiterzufriedenheit
➜ größer der Unternehmenserfolg
➜ besser das Employer Branding
Diese – vermutlich noch nicht einmal vollständige – Liste zeigt, wie wichtig die Mitarbeiterbindung ist und welche Folgen ein Mangel an Bindung haben kann (Stichwort: „Quiet Quitting“). Es zahlt sich also aus, gezielt in die Mitarbeiterbindung zu investieren.
Was beeinflusst die Mitarbeiterbindung?
Die zwei größten Einflussfaktoren der Mitarbeiterbindung sind:
1. Recruiting, also die Auswahl der richtigen Talente
2. Mitarbeiterzufriedenheit als langfristige Grundlage für eine erfolgreiche Bindung
Der erste Punkt zeigt, dass die Mitarbeiterbindung nicht erst am ersten Arbeitstag beginnt. Damit sie überhaupt entstehen kann, muss schon die Auswahl der Mitarbeitenden im Bewerbungsverfahren stimmen. Konkret geht es darum, die Erwartungshaltungen beider Seiten – also des Unternehmens genauso wie des potenziellen Mitarbeitenden – abzugleichen.
Hier ein Beispiel aus der Praxis:
Nach den ersten Runden im Recruiting für eine Stelle bleiben Bewerberin A und Bewerber B übrig. Beide bringen die nötigen Fachkenntnisse für den Job mit. Beide haben bereits relevante Erfahrungen gesammelt. Beide scheinen hoch motiviert – mit einem kleinen Unterschied: Die Gehaltsvorstellungen von Bewerberin A liegen weit über dem Budget und sie möchte lieber im Homeoffice, als in einem Büro mit Hund arbeiten.
Wenn wir nun im Budget nur bedingt Spielraum haben und bereits zwei Bürohunde regelmäßig und gern im Büro gesehen sind, haben wir schon zwei Erwartungshaltungen, die wir vermutlich nicht erfüllen können und die der Bindung daher nicht zuträglich wären.
Das Beispiel zeigt: Wem das Erwartungsmanagement schon bei der Auswahl neuer Kolleginnen und Kollegen gelingt, schafft gute Voraussetzung für die Mitarbeiterzufriedenheit und damit eine bessere Grundlage für erfolgreiche Mitarbeiterbindung.
Womit wir beim zweiten Einflussfaktor sind: der Mitarbeiterzufriedenheit.
Warum ohne Mitarbeiterzufriedenheit gar nichts geht?
Ohne zufriedene Mitarbeitende gibt es schlichtweg keine Mitarbeiterbindung. Die Mitarbeiterzufriedenheit ist die Basis dafür, dass sich Mitarbeitende überhaupt an ihr Unternehmen binden.
Zufriedene Mitarbeiter …
… fühlen sich von den Aufgaben, die ihnen zugeteilt werden, im richtigen Maß gefordert.
… interessieren sich für das, was sie machen.
… haben, was es braucht, um ihre Arbeit gut zu erledigen.
… identifizieren sich mit Ihrem Unternehmen und seinen Werten.
… mögen ihren Arbeitsplatz und kommen gern dorthin.
… fühlen sich ausreichend informiert und wertgeschätzt.
… fühlen sich in ihrem Arbeitsumfeld wohl.
… wissen, was von ihnen erwartet wird, und freuen sich über erledigte Aufgaben und gelöste Probleme.
Einen Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit haben demnach:
- Die Tätigkeit und die Aufgaben
- Die Arbeitsbedingungen
- Die Bezahlung
- Die Jobsicherheit
- Die Unternehmenskultur
- Der gelebte Führungsstil
- Die Erwartungshaltungen
- Die Freiräume und der Gestaltungsspielraum
- Die Weiterentwicklung und Fortbildung
Da Mitarbeiterzufriedenheit der Grundstein der Mitarbeiterbindung ist, zielen Maßnahmen zur Steigerung der Mitarbeiterbindung auch immer auf die Zufriedenheit der Arbeitskräfte ab.
Welche Maßnahmen für Mitarbeiterbindung gibt es? Das 6 Säulen Modell
Um den vielen verschiedenen Aktivitäten zur Stärkung der Mitarbeiterbindung einen Rahmen zu geben, entstand das 6-Säulen-Modell, das die Maßnahmen in sechs Bereiche unterteilt:
1. Arbeitsorganisation und -umfeld
2. Gesundheit, Sport und Freizeit
3. Personalentwicklung
4. Employer Branding
5. Unternehmenskultur und -kommunikation
6. Vergünstigungen und Vorteile
1. Säule: Das Arbeitsumfeld und die Arbeitsorganisation
Kommen eure Mitarbeitenden gerne zur Arbeit? Fühlen sie sich wohl im Büro, in der Produktion, im Lager, hinterm Tresen?
5 Beispiele für Maßnahmen, die ihr setzen könnt, um diese Fragen mit „Ja“ zu beantworten:
★ Gestaltet eure Pausenräume ansprechend und gemütlich.
★ Modernisiert die Arbeitsplätze und stattet sie mit allem Notwendigen aus. Was am Schreibtisch ein ergonomischer Stuhl ist, kann an der Verkaufstheke ein modernes POS-System und ausreichend Rückzugsmöglichkeiten sein. Fragt im Zweifelsfall einfach bei euren Mitarbeitenden nach.
★ Unterstützt eure Mitarbeitenden mit Mobilitätslösungen wie Tickets für die öffentlichen Verkehrsmittel oder Shuttle-Services von Bahnhöfen.
★ Ermöglicht euren Mitarbeitenden mit hybriden Arbeitsmodellen mehr Work-Life-Balance.
★ Fragt eure Mitarbeitenden regelmäßig, wie ihr ihnen das Leben einfacher machen könnt.
2. Säule: Gesundheit, Sport und Freizeit
Wie gut gelingt euren Mitarbeitenden der Ausgleich zwischen Anspannung und Entspannung? Wie gut sorgen sie sich um ihre eigene Gesundheit?
4 Beispiele für Maßnahmen, die ihr setzen könnt, um diese Fragen mit „Ja“ zu beantworten:
★ Bietet effektive Programme für körperliche UND mentale Gesundheit an
★ Organisiert Outdoor-Teamevents als Ausgleich und für das Teambuilding.
★ Ladet Ernährungs- und Gesundheitsexperten zu euch ein und veranstaltet einen Gesundheitstag oder ein Event drumherum.
★ Bietet Maßnahmen zur Stressbewältigung im Alltag an Achtet darauf, dass die Arbeitsplätze eurer Mitarbeitenden ergonomisch sind.
3. Säule: Personalentwicklung
Können sich eure Mitarbeitenden individuell weiterentwickeln? Unterstützt ihr sie dabei? Sehen sie Perspektiven?
5 Beispiele für Maßnahmen, die ihr setzen könnt, um diese Fragen mit „Ja“ zu beantworten:
★ Prüft, ob eine Führungsposition aus den eigenen Reihen besetzt werden kann, bevor ihr extern sucht. Beförderungen können ein starker Motivator sein.
★ Finanziert Fort- und Weiterbildungen für eure Mitarbeitenden. Fixe Ausbildungsbudgets pro Arbeitskraft können hierbei helfen.
★ Arbeitet aktiv an den Führungskompetenzen eurer Führungskräfte (zum Beispiel, indem ihr sie von den professionellen Coaches begleiten lasst)
★ Gestaltet mit Job Rotations den Alltag eurer Mitarbeitenden spannender und sorgt für einen breiteren Wissensaustausch.
★ Fördert und fordert im Rahmen eines High-Potential-Programms gezielt talentierte Nachwuchs(führungs)kräfte.
4. Säule: Employer Branding
Finden potenzielle neue und bestehende Mitarbeitende euer Unternehmen attraktiv? Sind eure Mitarbeitenden stolz darauf, bei euch zu arbeiten? Erzählen sie anderen gerne davon?
5 Beispiele für Maßnahmen, die ihr setzen könnt, um diese Fragen mit „Ja“ zu beantworten:
★ Definiert die Werte, für die euer Unternehmen steht, und beschreibt, wie sie im Alltag gelebt werden können und sollen. Geht gemeinsam mit den Führungskräften mit gutem Beispiel voran.
★ Nehmt an Karrieremessen teil und positioniert euch so als attraktiver Arbeitgeber am Markt.
★ Organisiert einen Tag der Offenen Tür oder gewährt zum Beispiel Studierenden im Rahmen von Unternehmensführungen einen Blick hinter die Kulissen.
★ Seid aktiv in beruflichen Netzwerken und auf Bewertungsportalen. Nehmt Feedback, das ihr dort – und anderswo – erhaltet, ernst.
★ Überlegt euch ein Empfehlungsprogramm für eure Mitarbeitenden, mit dem ihr Weiterempfehlungen, die tatsächlich zu einer Anstellung führen, belohnt und damit attraktiver macht.
5. Säule: Unternehmenskultur und Kommunikation
Sehen sich eure Mitarbeitenden als Teil eines großen Ganzen? Identifizieren sie sich mit eurem Unternehmen und seinen Werten? Engagieren sie sich für ihr Team und zeigen sie gerne Eigeninitiative?
5 Beispiele für Maßnahmen, die ihr setzen könnt, um diese Fragen mit „Ja“ zu beantworten:
★ Achtet auf eine positive, konstruktive Zusammenarbeit im Team, auch und vor allem mit Führungskräften.
★ Fördert ein konstruktives Konfliktmanagement. Konflikte lassen sich nicht vermeiden, der Umgang damit entscheidet jedoch darüber, ob ein Konflikt positiv oder negativ wahrgenommen wird.
★ Engagiert euch auch außerhalb des Unternehmens. Sponsert lokale Vereine oder gebt euren Mitarbeitenden einen zusätzlichen Urlaubstag für gemeinnützige Tätigkeiten in der Umgebung.
★ „Tue Gutes und rede darüber“ – nehmt diesen uralten Spruch beim Wort und erzählt Mitarbeitenden und Kunden von euren Erfolgen – auf Social Media, im Intranet, der Mitarbeiterzeitung, auf eurer Website … Sorgt dafür, dass sie stolz auf euch als Arbeitgeber oder Partner sind.
★ Fördert ganz allgemein die Transparenz in eurer Kommunikation und sprecht auch über schwierige Themen so offen wie möglich.
6. Säule: Vergünstigungen und andere Vorteile
Haben eure Mitarbeitenden Vorteile, weil sie bei euch arbeiten? Finden alle eure Mitarbeitenden unter den Benefits die für sie richtigen? Wissen sie über die Benefits Bescheid?
5 Beispiele für Maßnahmen, die ihr setzen könnt, um diese Fragen mit „Ja“ zu beantworten:
★ Schenkt euren Mitarbeitenden Zeit für sich, zum Beispiel in Form von Bildungs-, Mental-Health- oder Social-Impact-Tagen.
★ Bietet ihnen kostenlose Zugänge zu Angeboten, die sie auch in ihrer privaten Weiterentwicklung unterstützen.
★ Vergütet euren Mitarbeitenden die Kosten für ihr privates Handy und Internet, vor allem wenn sie auch im Homeoffice arbeiten.
★ Steuert etwas zu den Kosten für die tägliche Verpflegung bei oder kocht gemeinsam am Arbeitsplatz, wenn das Budget knapper ist.
★ Verhandelt Sonderrabatte mit privaten Freizeitbetrieben wie Fitnessstudios, aber auch Schwimmbädern, Thermen, Hotelvereinigungen, Autohändlern, Handyanbietern und mehr.
Wenn ihr immer noch nicht wisst, wo ihr genau starten sollt, empfehlen wir euch unseren Guide „In 5 Schritten zu besserer Mitarbeiterbindung“.
Mehr Ideen, um das mentale Wohlbefinden in eurem Unternehmen zu verbessern, haben wir in unserem Guide „31 Aktivitäten für mehr mentales Wohlbefinden im Unternehmen“ zusammengefasst und nach Investitionsaufwand unterteilt.
Fazit
Glückliche Mitarbeitende machen auch Kund:innen glücklich. Daher kommen Unternehmen heute an Themen wie Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung schlichtweg nicht vorbei. Fachkräftemangel hin oder her – glückliche, zufriedene und loyale Mitarbeitende bringen einem Unternehmen immer Mehrwerte. Eine Investition zahlt sich also in jedem Fall aus.