Psychotherapie: Wie finde ich einen Therapieplatz?

6.8.2024

Professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist ein mutiger und wichtiger Schritt zur Stärkung der mentalen Gesundheit. Doch die Suche nach einem Therapieplatz in Deutschland kann oft entmutigend und kompliziert sein. Dieser Ratgeber hilft dir und deinen Angehörigen, den Prozess zur Psychotherapie zu erleichtern und die nötige Unterstützung zu finden.

Likeminded Redaktion

Inhalt

1. Erkenne die Notwendigkeit: Du merkst, dass du Unterstützung brauchst

Der erste Schritt auf der Suche nach einem Therapieplatz ist die Einsicht, dass man Hilfe braucht. Dies kann sich in verschiedenen Anzeichen und Gefühlen äußern:

  1. Emotionale Überlastung: Du fühlst dich ständig traurig, ängstlich oder überfordert und kannst diese Gefühle nicht mehr alleine bewältigen.
  2. Verlust von Interesse: Dinge, die dir früher Freude bereitet haben, interessieren dich nicht mehr oder du hast Schwierigkeiten, dich zu motivieren.
  3. Körperliche Symptome: Psychische Belastungen können sich auch körperlich äußern, z.B. in Form von Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder chronischen Schmerzen.
  4. Beeinträchtigung des Alltags: Deine Probleme beeinträchtigen deinen Alltag, z.B. bei der Arbeit oder in Beziehungen.
  5. Einnahme von Medikamenten, Alkohol und weiteren Substanzen: Du greifst vermehrt zu Alkohol, Drogen oder anderen Mitteln, um deine Gefühle zu betäuben.
  6. Gedanken an Selbstverletzung oder Suizid: Du denkst daran, dich selbst zu verletzen oder deinem Leben ein Ende zu setzen. In diesem Fall ist es besonders wichtig, sofort Hilfe zu suchen.

Wichtig: Wenn es um körperliche oder psychische Notlagen geht, kann das richtige Handeln Leben retten. Steckst du selbst oder jemand, den du kennst in einer akuten Notlage, erreichst du schnelle Hilfe unter diesen Nummern: 112 (Rettungsdienst), 116117 (ärztlicher Bereitschaftsdienst) oder unter der 0800.1110111 die Telefonseelsorge.

2. Der nächste Schritt: Professionelle Hilfe suchen

  1. Besuch beim Hausarzt / der Hausärztin: Der Hausarzt bzw. die Hausärztin kann medizinische Ursachen abklären und dabei helfen, einzuschätzen, ob eine Therapie notwendig ist. Lass dir eine Liste zugelassener Psychotherapeut:innen mitgeben oder dich direkt weitervermitteln. Du brauchst aber keine ärztliche Überweisung, um einen Psychotherapeuten aufzusuchen.
  2. Krankenkasse kontaktieren: Frag deine Krankenkasse nach einer Liste zugelassener Psychotherapeut:innen und kläre die Kostenübernahme.
  3. Psychotherapeut:innensuche: Nutze Online-Portale wie den Psychotherapie-Informationsdienst (PID), die Kassenärztliche Vereinigung (KV), oder therapie.de, die umfangreiche Verzeichnisse bieten.
    • Psychotherapie-Informationsdienst (PID): Über die Psychotherapiesuche kannst du alle beim PID registrierten Psychotherapeut:innen einsehen und kontaktieren. Es gibt ebenfalls die Möglichkeit einer telefonischen Beratung oder du schreibst eine Mail.
    • Kassenärztliche Vereinigung (KV): Die Terminservicestelle hilft dir, schnell einen Termin für eine psychotherapeutische Erstsprechstunde zu bekommen. Du kannst sie telefonisch unter 116117, per Kontaktformular oder über die Online-Terminvereinbarung erreichen.
    • Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV): Gut filterbare und übersichtliche Therapeut:innensuche
    • therapie.de: Gut ****filterbare und übersichtliche Therapeut:innensuche
    • Anfrage bei Ausbildungsinstituten für Psychotherapie: Einige Ausbildungsinstitute bieten Psychotherapie sowohl bei erfahrenen als auch bei Psychotherapeut:innen in Ausbildung an. Ein Vorteil dabei ist, dass du auf diesem Weg oft schneller einen Therapieplatz erhältst als bei anderen Psychotherapeut:innen. Listen mit Ausbildungsinstituten findest du auf den Webseiten der Landespsychotherapeutenkammern.

3. Kontaktaufnahme mit Psychotherapeut:innen

Vorab die guten Neuigkeiten - einen Psychotherapeuten oder eine Psychotherapeutin kannst du dir selbst aussuchen und sie kontaktieren. Alternativ stehen dir in dringenden Fällen die Terminservicestellen für psychotherapeutische Sprechstunden zur Verfügung.

Um Psychotherapeut:innen zu kontaktieren, rufe sie am besten an oder schick eine E-Mail, um Verfügbarkeit und Erstgesprächstermine zu klären.

Psychotherapeut:innen mit zeitnahen Verfügbarkeiten zu finden ist nicht einfach. Aber lass dich nicht entmutigen. Plattformen wie jameda, doctolib oder arztsuche.116117.de können dir helfen, Therapeut:innen zu finden, die du kontaktieren kannst.

3.1 Terminservicestellen für psychotherapeutischen Sprechstunden

Eine psychotherapeutische Sprechstunde ist für den Einstieg in eine Psychotherapie verpflichtend. In dieser Sprechstunde finden Psychotherapeut:innen mit dir heraus, ob eine Psychotherapie oder ein anderes Versorgungsangebot hilfreich sein könnte.

Über die Terminservicestellen kannst du eine solche Sprechstunde vereinbaren. Für die Terminvergabe stehen die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verfügung. Bundesweit erreichst du sie rund um die Uhr unter der 116 117. In vielen Regionen ist der Patientenservice auch online über eterminservice.de verfügbar.

Die Terminservicestelle vermittelt dir innerhalb einer Woche einen Termin für ein Erstgespräch mit einem oder einer Psychotherapeut:in. Dabei wird das weitere Vorgehen besprochen. Deine Wartezeit auf einen Termin darf maximal vier Wochen betragen. In der Sprechstunde kannst du einen Vermittlungscode für eine probatorische Sitzung oder eine Akutbehandlung erhalten.

Wichtig ist im Gespräch direkt anzugeben, dass du eine psychotherapeutische Sprechstunde vereinbaren möchtest.

4. Das Erstgespräch bei Therapeut:innen

Der nächste Schritt nach der Kontaktaufnahmen ist, einen Termin für ein Erstgespräch oder eine sogenannte psychotherapeutische Sprechstunde zu vereinbaren, um den Therapeuten oder die Therapeutin kennenzulernen.

4.1 Was erwartet mich in einem Erstgespräch?

Im Erstgespräch, der sogenannten psychotherapeutischen Sprechstunde, lernst du den Therapeuten/ die Therapeutin kennen und schilderst deine Beschwerden und Anliegen. Der Therapeut/ Die Therapeutin stellt Fragen zu deiner Lebensgeschichte, aktuellen Problemen und Zielen der Therapie. Dies dient dazu, eine Diagnose zu stellen und zu entscheiden, welche Therapiemethode am besten zu dir passt. Das Erstgespräch bietet auch die Gelegenheit, die Chemie zwischen euch zu prüfen und zu entscheiden, ob du dir eine Zusammenarbeit vorstellen kannst. Du darfst daher Erstgespräche mit verschiedenen Psychotherapeut:innen führen, auch wenn diese keine freien Therapieplätze haben. Sie sind gesetzlich verpflichtet, solche Sprechstunden anzubieten. Anschließend kannst du dich auf die Wartelisten für einen Therapieplatz setzen lassen.

4.2 Was ist eine probatorische Sitzung?

Vor Beginn einer Therapie finden sogenannte probatorische Sitzungen statt. Diese dienen in erster Linie dazu, die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Patient:in und Therapeut:in auszuloten und festzustellen, ob eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut werden kann. Außerdem werden die Vorgehensweise, die Therapieziele und die voraussichtliche Therapiedauer besprochen. Du darfst bis zu vier probatorische Sitzungen pro Therapeut:in besuchen, bevor du dich festlegst.

5. Wie beantrage ich Therapie bzw. einen Therapieplatz

Nach den probatorischen Sitzungen stellst du gemeinsam mit deinem Therapeuten oder deiner Therapeutin einen Antrag auf Kostenübernahme bei deiner Krankenkasse. Der Therapeut bzw. die Therapeutin begründet in diesem Antrag, warum eine Therapie notwendig ist. Sobald die Anträge bei der Krankenkasse eingegangen und geprüft wurden, kann die Therapie beginnen.

Parallel dazu kannst du dir von deiner oder deinem Hausarzt:in einen Konsiliarbericht ausstellen lassen. Dieser dient dazu, medizinische Ursachen eurer Beschwerden auszuschließen und zu notieren, dass aus medizinischer Sicht nichts gegen eine psychotherapeutische Behandlung spricht.

5.1 Wer übernimmt die Kosten für die Psychotherapie?

In Deutschland übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in der Regel die Kosten für eine psychotherapeutische Behandlung, sofern sie von einem zugelassenen Psychotherapeuten / einer zugelassenen Psychotherapeutin durchgeführt wird. Bei gesetzlich Versicherten muss oft ein Antrag bei der Krankenkasse gestellt werden, der eine schriftliche Diagnose des Therapeuten / der Therapeutin erfordert. Privatversicherte sollten vor Beginn der Therapie bei ihrer Versicherung die genauen Bedingungen klären. Selbstzahlende müssen die Kosten selbst tragen, können aber häufig schneller einen Therapieplatz finden.

5.2 Was sind die verschiedenen Ausrichtungen von Psychotherapeuten? Welche eignet sich für mich?

Es gibt verschiedene therapeutische Ansätze, die jeweils unterschiedliche Methoden und Schwerpunkte haben. Hier sind die am häufigsten eingesetzten Verfahren:

  • Verhaltenstherapie: Dieses Verfahren konzentriert sich darauf, erlernte Verhaltensweisen und Denkmuster durch Veränderungen im eigenen Denken, Fühlen und Handeln zu verändern. Häufig werden praktische Übungen zur Bewältigung von Symptomen eingesetzt, auch außerhalb der Therapiestunden.
  • Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie: Hierbei werden unbewusste Einflüsse für aktuelle Belastungen erforscht, um Veränderungen zu ermöglichen. Diese Therapieform schaut sich an, wie vergangene Erlebnisse und unbewusste, innere Konflikte dein Erleben im Hier-und-Jetzt beeinflussen.
  • Analytische Psychotherapie: Dies ist ein intensiverer Ansatz als die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Sie befasst sich mit tiefgehenden, unbewussten Prozessen und frühkindlichen Erfahrungen. Diese Therapieform kann besonders hilfreich sein, wenn du sehr tief sitzende emotionale Probleme hast.
  • Systemische Therapie: Diese Methode betrachtet Probleme im Kontext deiner sozialen Beziehungen und Systeme, wie zum Beispiel deiner Familie. Der Fokus liegt darauf, wie deine Beziehungen und die Dynamiken innerhalb dieser Systeme dein Verhalten und dein Wohlbefinden beeinflussen.

Die Wahl des Verfahrens hängt von deinen individuellen Bedürfnissen und Vorlieben ab. Ein Erstgespräch kann dir helfen, die für dich passende Therapieform zu bestimmen. Der Therapeut/ die Therapeutin kann dir erklären, welcher Ansatz am besten zu deinen spezifischen Problemen und Zielen passt.

5.3 Warum ist es so schwer, einen Therapieplatz zu finden?

Es kann häufig mehrere Wochen bis Monate dauern, bis man einen Therapieplatz in einer psychotherapeutischen Praxis erhält. Grund dafür sind die hohe Nachfrage nach psychotherapeutischen Behandlungen und ein begrenztes Angebot an Therapieplätzen. Zudem sind bürokratische Hürden wie die Beantragung und Genehmigung der Therapie durch die Krankenkassen zusätzliche Herausforderungen. Der Mangel an Psychotherapeut:innen, besonders in ländlichen Gebieten, verschärft die Situation weiter.

Hinweis: Die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen müssen dir innerhalb einer Woche nach deiner Anfrage einen Termin in einer psychotherapeutischen Praxis vermitteln, der innerhalb von 4 Wochen stattfinden muss.

6. Was kann ich machen, während ich auf meinen Therapieplatz warte?

Während der Wartezeit kannst du verschiedene Überbrückungsmaßnahmen ergreifen:

  • Online Angebote durch Likeminded: Unsere Plattform bietet Arbeitnehmenden Zugang zu mentalen Unterstützungsangeboten. Hier kannst du auf verschiedene Ressourcen und Programme zugreifen, die dir helfen, die Wartezeit bis zum Beginn der Therapie zu überbrücken. Das Angebot umfasst Einzelgespräche mit psychologischen Expert:innen, Gruppen-Formate und verschiedene Ressourcen zu unterschiedlichen Themen der mentalen Gesundheit.

Falls dein:e Arbeitgeber:in Likeminded noch nicht anbietet, kannst du unsere Plattform über diesen Link anonym in deinem Unternehmen anfragen lassen.

  • Entspannungstechniken: Methoden wie Meditation, Yoga oder Achtsamkeitstraining können Stress reduzieren und das Wohlbefinden verbessern.
  • Notfallkontakte: Hier sind einige Beispiele für Notfallkontakte in Deutschland, die dir in akuten Krisensituationen helfen können:
    • Telefonseelsorge: Kostenlose und anonyme Beratung rund um die Uhr.
    • Ärztlicher Bereitschaftsdienst: Bei medizinischen Notfällen außerhalb der regulären Sprechzeiten.

7. Wie man als Freund:in oder Angehörige:r helfen kann

Die Suche nach einem Therapieplatz kann sehr belastend sein, und viele psychisch Erkrankte haben nicht die Kraft, die notwendigen Schritte selbst einzuleiten. In solchen Situationen ist es wichtig, dass nahestehende Personen unterstützend zur Seite stehen. Die Hilfe bei der Suche und Planung kann für Betroffene eine enorme Erleichterung sein.

Quellen
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